„Ich wollte eine Ausbildung außerhalb meines Heimatlandes und im Ausland wohnen. Dann landete ich in Deutschland, musste Deutsch lernen und dann…da war dieser Schock.“
Abu-Bakarr Jalloh
Der lange Weg zur Integration
Vor vier Jahren lief für Abu-Bakarr Jalloh alles sehr gut in Sierra Leone. Der aufstrebende Filmemacher und Journalist hatte eine gefestigte Karriere, er arbeitete als Korrespondent für die amerikanische Nachrichtenagentur AP (Associated Press) und genoss ein angenehmes Leben umgeben von Menschen, die ihn gut kannten und die er gut kannte. Trotz all dem und entgegen aller Erwartungen, entschied er sich, zu gehen; oder präziser, nach Deutschland umzusiedeln.
„Ich wollte eine Ausbildung außerhalb meines Heimatlandes und im Ausland wohnen. Dann landete ich in Deutschland, musste Deutsch lernen und dann…da war dieser Schock,“ gibt Abu-Bakarr zu.
Falscher Ort
Es gelingt ihm immer noch, diesen Schock in einem einzigen Gesichtsausdruck zu zeigen. Es sagt mehr als tausend Worte. Wenn er versucht, seine Erfahrungen in Worte zu fassen, hält er ich zurück. „Ich komme aus seiner extrem anderen Kultur, wo die Menschen warmherzig sind. In Deutschland sind die Menschen reserviert. Abgesehen davon haben wir diese Kultur in der Du mit jedem zu jeder Zeit sprechen kannst. Ich kenne Leute von überall in Sierra Leone. Dies (Germany) ist im Prinzip der falsche Ort für mich“, erklärt er
Abu-Bakarr ist nach Nordamerika gereist, bevor er nach Deutschland zog. Unterwegs hat er auch einige britische Freunde gefunden. Glücklich, einige tolle Europäer zu kennen, war er nicht unbedingt besorgt, nach Deutschland zu ziehen. “ Ich dachte irgendwie, dass weiße Menschen alle gleich sind. Ich hatte diese Vorstellung von weißen Leuten, meist Englisch sprechende Kanadier, Amerikaner Briten. Sie haben ihren eigenen, komplett anderen Lebensstil, aber dann Deutschland… “ erinnert sich der Journalist. „Deutsch lernen allein ist schon verdammt mühselig, aber das ist nur ein kleiner Schritt von den Millionen von Meilen, die noch vor Dir liegen, um in Deutschland integriert zu sein. Es war sehr schwer.“
Langer Kampf
„Ganz ehrlich, ich sage, wenn Afrikaner, Sierra Leoner, Afrika das allererste Mal verlassen, ist die Motivation so hoch,“ sagt er und zeigt mit seiner Hand weit über seinen Kopf hinaus, so hoch wie seine Arme reichen. „Es ist so hoch, aber dann triffst Du auf diesen Schock in Deutschland. Dann ist die Motivation – rumms- am Boden. Es trifft Dich so hart, dass Du flach am Boden liegst! Und dann musst Du kämpfen.“
Er fährt fort zu beschreiben wie der Schock da noch nicht endet: Du fängst an zu sinken, wirst depressiv und traurig. Dies waren alles neue Gefühle für Abu-Bakarr. „Ich habe es geschafft, aus diesem Dreck herauszukommen, ein wenig an die Oberfläche zu kommen, aber dann, die Motivation in mir, mein Eifer, dieser Enthusiasmus in mir – es ist nicht mehr da. Stattdessen, ist es nur einen halben bis einen Meter über dem Boden,“ gibt Abu-Bakarr zu.
Unangenehme Überraschungen
Er sagt, dass ein Ausländer aus Afrika hier niemals voll integriert werden kann. Das Beste, was Du tun kannst, ist bis zu einem gewissen Grad reinzupassen, aber es wird Dich nicht vor zahlreichen Überraschungen schützen“Manchmal kommen Dinge einfach aus dem Nichts und Du bekommst diesen Schock. Zum Beispiel habe ich während einer Seminarpause eine Papierserviette vom Buffet benutzt, um mir die Nase zu putzen und dann kommt diese Dame von hinterrücks und fängt an zu schreien: „Sie dürfen das nicht machen. Das ist nicht für Ihre Nase. Die sind ziemlich teuer“, beschreibt er. „Ich war so geschockt über die Art, in der sie mich wegen einer Serviette anbrüllte, die nur ein paar Cents kostet?!? Nach zehn Minuten kam sie zurück und entschuldigte sich, aber da hatte sie bereits meinen Tag verhunzt.“
Was Abu-Bakarr am meisten irritiert ist, dass die Leute eine bestimmte Vorstellung von ihm haben, bevor sie ihn überhaupt kennenlernen. Er fühlt sich oft, als ob die Meinung eines Afrikaners nicht ernst genommen wird, und dass er nicht gehört wird. „Ich habe die Welt bereist, ich habe sehr viel Erfahrung in Nordamerika, Europa und verschiedenen Teilen Afrikas. Ich bin wahrscheinlich erfahrener als viele Deutsche,“ sagt er. „Aber wenn wir anfangen, über das Leben in verschiedenen Teilen der Welt zu reden und ich anfange, Beispiele aus der Schweiz oder Norwegen oder Dänemark zu geben, dann vergleiche ist das mit dem Leben in Kanada oder der USA, dann ist die nächste Frage: „Wo kommst Du her?“ Sobald ich Sierra Leone sage, bedeutet das, dass alles was ich bisher gesagt habe, keine Bedeutung hat.“
Faszination oder Diskriminierung?
Er denkt nicht, dass es Rassismus ist, eher Diskriminierung. „Du hast diese Art von Rassismus nicht mehr wo die Leute sagen: „Oh Du bist schwarz, ich will nichts mit Dir zu tun haben. Obwohl, du hast das manchmal, wenn Leute betrunken sind. Dann haben sie die Tendenz es rauszulassen und in einer sehr rassistischen Art mit Dir zu reden,“ gibt Abu-Bakarr zu.
Die Leute sind immer öfter von seinen Haaren fasziniert.– jeder scheint sie anfassen zu wollen. „Auch wenn das eine einfache Art ist, das Eis zu brechen, und es ist kein Rassismus, es ist schwer, damit umzugehen. Du fühlst dich als ob Du blöd wärst. Warum willst Du nicht mit mir reden? Ich habe auch Hirn,“ führt er als Beispiel an.
Sein Leben in Deutschland genießen
Der Journalist und Filmemacher hat es durch die harten Zeiten geschafft und hat endlich die Chance, sein Leben in Deutschland zu genießen. Er gibt zu, dass es ihm Spaß macht, hier zu leben, und dass er es genießt, komplett andere Perspektiven kennenzulernen, jetzt, wo er die Gesellschaft besser versteht. „Abgesehen von allem was ich bisher gesagt habe, gibt es so viele Möglichkeiten in Deutschland. Ich habe meinen Freundeskreis; ich muss nicht mehr nach neuen Menschen suchen. Ich habe jetzt ein Leben, das beständig ist. Ich glaube, ich möchte noch ein wenig länger in Deutschland bleiben,“ sagt er mit einem riesigen Lachen auf seinem Gesicht.
Zusätzlich findet er Deutschland sehr schön. Auch wenn die Menschen zur Reserviertheit tendieren, so sind sie auch sehr freundlich. “ Was lustig ist, dass sie überhaupt nichts riskieren. Sie springen nicht einfach irgendwo rein. Sie planen es,“ sagt er und fügt hinzu, dass die Deutschen auch Risiken vermeiden wenn sie loben. „Wenn mein Chef mir sagt, dass etwas gut ist, heißt das, dass es extrem gut ist. Sie sind fast fünf Schritte hinter der Realität,“ schildert Abu-Bakarr vergnügt. „Das Beste was Du meistens bekommen kannst ist nur: „Danke Dir“. Eigentlich, danke Dir. Das war´s. Das ist schon extrem gut.“